Artenschutzprogramm Steinkauz
Ein Maßnahmenplan
Wiesen und Weiden sind ideale Jagdgebiete, alte Baumhöhlen dienen als Brutplätze und Tageseinstände. Durch die großflächigen Umwandlungen von Dauergrün in Acker- und Bauland und den damit einhergehenden Rodungen von potentiellen Brutbäumen kam es zu drastischen Bestandsrückgängen, die dringend Schutzmaßnahmen erforderlich machen.
1. Ausgangssituation
Der Steinkauz zählt in Rheinland-Pfalz zu den stark gefährdeten Arten. Bitz et al. (1) schätzen den Bestand 1981 auf unter 400 Brutpaare. Da der seit den 50er Jahren beobachtete dramatische Bestandseinbruch auch nach 1981 anhält, ist davon auszugehen, daß der rheinland-pfälzische Steinkauzbestand heute wesentlich geringer ist. So zeigen Bauer und Bertold, daß in vielen Gebieten Deutschlands die Bestände in den letzten 15 Jahren um 75-90 % zurückgegangen bzw. vollständig erloschen sind. Positive Entwicklungen gibt es nur noch in NRW, das etwa 80 % des bundesdeutschen Steinkauzbestandes aufweist (2) und in solchen Gebieten, in denen intensive Schutzmaßnahmen durch die Erhöhung des Nistplatzangebotes durchgeführt werden. (3)
Die Gründe für diese Bestandseinbrüche liegen vor allem
1. im Verlust von Höhlenangebot durch Rodung alter Obst- und Kopfbäume und
2. in der Verringerung des Nahrungsangebotes durch Intensivierung der Landwirtschaft.
Ein seit 1983 durchgeführtes Steinkauzschutzprogramm in Rheinhessen zeigt, daß der Steinkauz auch in intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen mit gutem Erfolg brütet. Voraussetzung ist neben dem Vorhandensein von Höhlen ein ausreichendes Nahrungsangebot (Arthropodenfauna), das der Steinkauz in Gebieten mit hoher Grenzliniendichte und dem damit verbundenen ständigen Wechsel unterschiedlicher Bewirtschaftungsformen (Bodenbearbeitung, Erntezeitpunkt, usw.) findet (4). Eine Abhängigkeit von extentiv genutzten Flächen oder Gründlandbewirtschaftung gibt es beim Steinkauz in Rheinland-Pfalz offenbar nicht (5). In unserer heutigen Kulturlandschaft kann das Angebot an Bruthöhlen als bestandslimitierender Faktor angesehen werden (6). Bei ausreichendem Höhlenangebot spielt die Art der Landnutzung offenbar eine untergeordnete Rolle. Deshalb kann ein Schutzprogramm für diese bedrohte Vogelart auch in landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen mit Erfolg durchgeführt werden. Besonders in den klimatisch begünstigten Lagen von Rheinland-Pfalz (Vorderpfalz, Rheinhessen, Pellenz, Flußtäler usw.) sollte durch entsprechende Maßnahmen eine wirksame Stabilisierung der Steinkauzpopulation erreicht werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen:
2. Bestandserfassung
Allen Schutzmaßnahmen sollte in jedem Fall eine gründliche Erfassung des Steinkauzbestandes vorangehen. Der Untersuchungszeitraum reicht von Ende Februar bis Mitte April. In dieser Zeit ist die Rufbereitschaft der Steinkäuze am größten. Bereits eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang können die Exkursionen beginnen. Zwischen 0.00 und 2.00 Uhr sowie bei Niederschlägen und aufkommendem Wind (Windstärke 3: "Blätter und Zweige in ständiger Bewegung") sollten die Untersuchungen eingestellt werden. Mit Hilfe von Klangattrappen (auf Tonband aufgenommene Rufe des Steinkauzes) werden die potentiellen Lebensräume des Steinkauzes beschallt. Tonbänder sind bei der Landesgeschäftsstelle des NABU Rheinland-Pfalz zu beziehen. Zu den potentiellen Gebieten des Steinkauzvorkommens in Rheinland-Pfalz zählen alle waldfreien Gebiete bis ca. 400 m über NN. Bei der Beschallung ist folgendermaßen vorzugehen: 15 Sekunden anlocken - 1 Minute Pause - 30 Sekunden anlocken - 1 Minute Pause - 1 Minute anlocken - 2 bis 3 Minuten warten. Handelt es sich um ein besetztes Revier, wird der Steinkauz auf die Lockrufe antworten (oftmals in den Pausen). Bei einer Reaktion ist das Anlocken abzubrechen. Grundsätzlich sollte jeder mögliche Lebensraum (jedes Gehöft, jede Scheune, jede Baumreihe, jeder einzelne zur Höhlenbildung neigende Baum) untersucht werden. Besetzte Reviere sind in einer Karte einzutragen.
3. Kurzfristige Schutzmaßnahmen
Alle potentiellen Lebensräume des Steinkauzes müssen kartiert und die vorhandenen Steinkauzbestände erfaßt werden. Dabei sind nach der von Exo und Hennes (7) empfohlenen Methodik alle potentiellen Lebensräume in Rheinland-Pfalz zu untersuchen. Potentielle Lebensräume sind alle waldfreien Gebiete bis ca. 400 m NN. Diese Erfassung in den Monaten November bis Mai (bevorzugt Anfang Februar bis Ende April) muß von einem Koordinator landesweit organisiert und soweit möglich von örtlichen Initiativen (interessierte Einzelpersonen oder NABU-Gruppen) durchgeführt werden. Um einen Anreiz für eine umfangreiche Beteiligung vor Ort zu schaffen, sollten örtliche Gruppen einen geringen Kostenersatz für die Mitarbeit erhalten. Nach der Erfassung der Restbestände muß in der Nähe der Brutvorkommen ein ausreichendes Höhlenangebot durch die Anbringung künstlicher Nisthilfen geschaffen werden. Während einzelne Autoren die Wirksamkeit von Nistkastenprogrammen in einzelnen Gebieten in Frage stellen (8), kommen andere Autoren (9) und eigene Untersuchungen seit 1983 zu dem Ergebnis, daß durch die Verbesserung des Höhlenangebotes der Steinkauzbestand nicht nur kurzfristig erhöht werden kann. Vorausgesetzt, daß das vorhandene Nahrungsangebot durch freie Flächen bzw. niedrige Vegetation (10) erreichbar ist, sind insbesondere in klimatisch günstigen Lagen (11) sehr gute Erfolge zu erwarten. Durch die Verhaltensweise junger Steinkäuze, sich bevorzugt in der räumlichen Nähe zu ihrem Geburtsort anzusiedeln (12), können die Teilpopulationen sehr schnell und zuverlässig vergrößert werden. Eine Isolation dieser Teilpopulationen ist nicht zu befürchten, da einzelne Individuen auch weiter ziehen und somit eine Zuwanderung aus anderen Populationen zu erwarten ist (13). Durch eine Vergrößerung der Teilpopulationen in die Randbereiche, die damit dichter an die nächste Teilpopulation angrenzen, werden diese einerseits stabilisiert, andererseits das Ziel der flächendeckenden Verbreitung in den geeigneten Lebensräumen gefördert. Die ausgebrachten künstlichen Nisthöhlen können nicht sich selbst überlassen, sondern müssen jährlich gereinigt werden. Erfolgt dies nicht, so werden sie spätestens im zweiten Jahr von Staren zugebaut und somit für Steinkäuze unbrauchbar. Die Reinigung muß im Juli/August erfolgen, kurz bevor die jungen Steinkäuze das elterliche Revier verlassen. Deshalb ist auch hierfür ein kontinuierliches Programm notwendig, das sinnvollerweise in Patenschaft oder im Betreuungsauftrag einer örtlichen Gruppe erfolgt. Durch Ausbringung von künstlichen Nisthöhlen könnten die vorhandenen Bestände - ähnlich wie in Hessen (14) - erhöht und aufgrund der Ansiedlungsgewohnheiten junger Steinkäuze zunächst auf die angrenzenden potentiellen Lebensräume ausgedehnt werden. Potentielle Lebensräume stellen dabei auch die landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen in ausgeräumten Landschaften dar. Das Artenschutzkonzept Steinkauz braucht deshalb keine Änderung der Bewirtschaftung, sondern kann im Einklang mit ihr durchgeführt werden, weshalb größere Widerstände der Landwirtschaft nicht zu erwarten sind. Konflikte könnten vor allem entstehen, wenn alte, höhlenbildende Bäume erhalten werden sollen.
4. Mittelfristige Maßnahmen
In der Regel wird der offene Dialog mit der Landwirtschaft ausreichen, die vorhandenen natürlichen Steinkauzbrutbäume zu sichern. Wenn dies nicht gelingt, müssen sie durch vertragliche Vereinbarungen mit dem Eigentümer, durch Unterschutzstellung oder durch Ankauf oder Pacht langfristig gesichert werden Höhlenreiche Kopfbäume müssen in den Verbreitungsgebieten des Steinkauzes alle 5-7 Jahre geschnitten werden (15). Dort, wo es möglich ist, sollten in Steinkauzrevieren vorhandene Scheunen und Ställe im Winterhalbjahr zugänglich gemacht werden. Grünlandwirtschaft bzw. Streuobstwiesen sind bevorzugte Lebensräume (16) - auch wenn der Steinkauz in Rheinland-Pfalz nicht von ihnen abhängig ist - und müssen in Verbreitungsschwerpunkten der Art gesichert werden. Dies ist möglich durch Kauf oder Pacht bzw. durch Motivation der landwirtschaftlichen Betriebe zur Teilnahme an den Biotopsicherungsprogrammen.
5. Langfristige Maßnahmen
Die Vergrößerung des Höhlenangebotes durch künstliche Nisthilfen kann nur als kurzfristige Maßnahme sinnvoll sein. Langfristig müssen durch Neuanlage von geeigneten Bäumen wieder natürliche Bruthöhlen geschaffen werden. Dies geschieht durch die kostengünstige Neuanlage von Kopfbäumen entlang von Gräben und Bächen in den Talauen sowie durch den Ankauf von geeigneten Flächen und der Neuanlage von Streuobstwiesen. Dabei sind keine Großflächen erforderlich, wie bei Arten, deren Schutz nur durch Herausnahme der Lebensräume aus der Intensivlandwirtschaft möglich ist. Inselartige Strukturen inmitten landwirtschaftlicher Nutzflächen reichen aus, geeignete Voraussetzungen für den Steinkauz zu schaffen. Programme, wie z.B. "Jedem Acker seinen Nußbaum (Birnbaum, Apfelbaum)" können aufgrund der geringen Einschränkungen der Landwirtschaft durch intensiven Dialog sicherlich ohne größere Widerstände umgesetzt werden. Die Sicherung von speziellen Steinkauzlebensräumen (Steinbrüche, sehr alte, höhlentragende Bäume) durch Unterschutzstellung (z.B. geschützter Landschaftsbestandteil) sollte angestrebt werden (17).
6. Methodik
Der Steinkauz als Mitglied einer in der Vorstellung der Bevölkerung geheimnisvollen, unheimlichen Artengruppe kann aufgrund seines Wesens und Aussehens sehr leicht als Sympathieträger aufgebaut werden. Deshalb bietet sich die Begleitung des Artenschutzprogrammes mit einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit an, deren Ziel es ist, interessierte Einzelpersonen und Gruppen zu gewinnen, die vor Ort Steinkauzvorkommen betreuen. Besonders die Kooperation mit Schulen, die Steinkauzröhren bauen, aufhängen und betreuen, hat in einigen Fällen zu positiven Ergebnissen geführt. Durch diese Personen oder Gruppen kann nach dem dreijährigen Zeitraum der Bestandsaufnahme die darauf basierende jährliche Bestandserfassung erfolgen. Mit Öffentlichkeitsarbeit sollten diese Gruppen für ihre erfolgreichen Artenschutzbemühungen z.B. anläßlich der jährlichen Beringung der Jungvögel ausgezeichnet werden, damit eine Identifizierung mit "ihren" Steinkauzvorkommen erreicht wird. Eigentümer, die auf ihren Flächen spezielle Maßnahmen für den Steinkauzschutz durchführen, sollten dabei finanziell unterstützt werden (18). Der Erfolg des Programms ist durch die Beringung der Jungvögel zu dokumentieren. Die Öffentlichkeitsarbeit soll sowohl die kurzfristigen als auch die mittel- und langfristigen Maßnahmen unterstützen.
7. Zusammenfassung
Mit relativ einfachen Mitteln kann ein Artenschutzprojekt Steinkauz im Einklang mit vorhandener landwirtschaftlicher Nutzung durchgeführt werden. Dabei eignet sich Rheinland-Pfalz aufgrund der klimatischen Gegebenheiten und trotz der Intensivnutzung in weiten Bereichen besonders gut für ein solches Programm. Die für ein Steinkauzschutzprojekt anfallenden Kosten lassen sich durch die hohe Erfolgssicherheit der Maßnahmen rechtfertigen. Mit ihm könnte das Verschwinden dieser Eulenart aus weiten Teilen von Rheinland-Pfalz wirksam verhindert werden. Aufgrund der bundesweiten Verbreitung besitzen neben Nordrhein-Westfalen vor allem Hessen und Rheinland-Pfalz eine besondere Verantwortung für diese Vogelart.
8. Literatur
(1) Bitz A., K. Raudszus & L. Simon (1990): Der Steinkauz - Athene noctua (SCOPOLI, 1769). In: R. Kinzelbach & M. Niehuis (Hrsg.): Beiträge zur Fauna von Rheinland-Pfalz. Wirbeltiere. Mainzer naturwiss. Archiv, Beiheft 13, S. 142
(2) Kämpfer-Lauenstein A. & W. Lederer (1995): Bestandsentwicklung einer Steinkauzpopulation (Athene noctua) in Mittelwestfalen (1974 - 1994). Charadrius 31, S. 211
(3) Bauer H. - G. & P. Berthold (1996): Die Brutvögel Mitteleuropas. Aula Verlag Wiesbaden, S. 254
(4) Schönn S., W. Scherzinger, K.-M. Exo & R. Ille (1991): Der Steinkauz. Neue Brehm Bücherei, Bd. 606. A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt, S. 205
(5) Bitz A., K. Raudszus & L. Simon (1990): a.a.O., S. 143
(6) Friedrich H. (1990): Die Entwicklung der Steinkauz-Population im Landkreis Limburg-Weilburg von 1978 - 1989. Vogel und Umwelt 6, S. 59
(7) Exo K. - M. & R. Hennes (1977): Empfehlungen zur Methodik von Siedlungsdichteuntersucherungen am Steinkauz (Athene noctua). In: Deutscher Bund für Vogelschutz e.V. - AG zum Schutz bedrohter Eulen (Hrsg.). Merkblatt Nr. 1, S. 4
(8) Illner H. (1988): Langfristiger Rückgang von Schleiereule Tyto alba, Waldohreule Asio otus, Steinkauz Athene noctua und Waldkauz Strix aluco in der Agrarlandschaft Mittelwestfalens 1974 - 1986. Vogelwelt 198, S. 149
(9) Neule W. und H. Michels (1994): Populationsentwicklung des Steinkauzes im Raum Nürtingen und Filderstadt, Landkreis Esslingen. Orn. Schnellmitteilungen Bad. - Württ. 42, S. 39
(10) Haase P. (1993): Zur Situation und Brutbiologie des Steinkauzes Athene n. noctua SCOP., 1769 im Westhavelland. Naturschutz und Landschaftspflege Brandenburg, Sonderheft 2, S. 32
(11) Knötzsch G. (1988): Bestandsentwicklung einer Nistkastenpopulation des Steinkauzes Athene noctua am Bodensee. Vogelwelt 109, S. 164
(12) Schönn S., W. Scherzinger, K.-M. Exo & R. Ille (1991): a.a.O., S. 209 f
(13) Friedrich H. (1990): a.a.O., S. 59
(14) Hormann M. & M. Korn (1994): Bestandsentwicklung ausgewählter, gefährdeter Vogelarten in Hessen 1990 - 1993 - Ergebnisse der Indikatorartenauswertung. Vogel und Umwelt 8, S. 154
(15) Schönn, s., W. Scherzinger, K.-M. Exo & R. Ille (1991): a.a.O., S. 208
(16) Furrington H. (1994): Bestandsentwicklung des Steinkauzes (Athene noctua) im Landkreis Heilbronn. Orn. Schnellmitteilung Bad. - Württ. 42, S. 38
(17) Nicolai B. (1994): Steinkauz - Athene noctua (SCOPOLI, 1769). Artenhilfsprogramm. Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Sachsen-Anhalt, Magdeburg, S. 27
(18) Nicolai B. (1994): a.a.O., S. 28
Wie kann ich dem Steinkauz helfen?
Künstliche Nisthilfen
Helfen Sie dem Steinkauz, indem Sie ihm eine künstliche Nisthilfe zur Verfügung stellen. Steinkauzröhren finden Sie im NABU Natur Shop oder Sie bauen einfach selber eine Steinkauzröhre. Zum Bau der Röhre benötigt man zwei gleichgroße Holzscheiben mit einem Durchmesser von 18-20 cm und einer Dicke von ca. 3 cm. Die vordere Scheibe bekommt ein Einflugloch von 6,5 cm Durchmesser, die hintere eine Öffnung von 10 cm für die Reinigung. Diese Öffnung wird mit einem Deckel und drei Schrauben verschlossen. Durch Annageln von Latten bildet man eine Trommel, die mit gesandeter Teerpappe verkleidet wird.