Schafbeweidung
Schafe als Landschaftspfleger...
Seit gut zehn Jahren unterhält der NABU Altenkirchen eine kleine Schafherde, die gezielt zur Beweidung von ausgesuchten Flächen, vorwiegend in Bachtälern, eingesetzt wird. Hier ein kleiner Erfahrungsbericht mit einigen Tipps für Nachahmer:
Schafbeweidung bietet viele Vorteile. Man kann selbst kleinste Bereiche, abgesichert mit einem Elektrozaun, ohne großen Aufwand beweiden. Größere und regelmäßig beweidete Flächen werden in der Regel mit einem fest installierten Knotengitterzaun ausgestattet. Solche Gatter können von NABU-Gruppenmitgliedern ohne größere Probleme selbst gebaut werden. In manchen Fällen, etwa bei besonders wertvollen Arealen, werden solche Zäune von Naturschutzbehörden bezuschusst.
Das Umsetzen beziehungsweise der Transport der Tiere ist mit einem ausreichend großen Hänger schnell bewerkstelligt. Wer allerdings nicht mit Hunden arbeitet, braucht bauliche Hilfen und ein bis zwei Helfer, damit das Beladen zügig vonstatten geht. Fest installierte Fangkorridore oder Elektronetze leiten die Herde zum Hänger und die ewige schafseigene Fressgier hilft, die natürliche Angst vor engen, dunklen Örtlichkeiten auszuschalten. Die Helfer treiben zögerliche Tiere in den Hänger und verschließen die Klappe – mit etwas Übung fast immer ein Kinderspiel…
Mit einem Körpergewicht zwischen 30 und 80 Kilogramm sind die Tiere für die regelmäßige Behandlung gegen Parasiten, Impfungen und im Falle von Krankheiten recht einfach zu handhaben. Vorsichtshalber sei aber nicht verschwiegen, dass ein hormondurchwirbelter, 80 Kilo schwerer Schafbock auch ein gestandenes aber unvorsichtiges Mannsbild ohne Probleme über den Haufen rennt.
Probleme bereitet die frühe Fruchtbarkeit von Schafen. Bereits im ersten Herbst nach der Geburt werden die meisten weiblichen Tiere aufnahmefähig. Dies ist allerdings nicht erwünscht, da die Tiere zu diesem Zeitpunkt noch zu klein und nicht voll entwickelt sind und nach einem bis zwei Jahren der Schlachtung zugeführt werden sollen.
Diese Problematik führte auch bei uns dazu, dass nach einigem hin und her eine zweite Herde eingerichtet werden musste. Nun betreuen wir eine reine „Weiberherde“ mit minderjährigen Töchtern und wenigen alten Mutterschafen, die eine einjährige Lamm-Auszeit genießen dürfen. Die Hauptherde setzt sich aus dem Zuchtbock mit den zuchtfähigen Schafen sowie den jugendlichen Böcken des aktuellen Jahrgangs zusammen. Da ein vernünftiges Schlachtgewicht bei unseren Biotopschafen meistens erst nach einem bis zwei Jahren erreicht wird, bleiben beide Herden durchgehend bestehen.
Im Jahresablauf wird es ab Ende März interessant, wenn die Vegetation langsam wieder in Gang kommt. Bis dahin sind auch die meisten Lämmer geboren worden. Günstig sind dann winterquartiernahe Flächen mit relativ schlechter Futterqualität. Der Grund dafür: Nach der eiweißarmen Winterversorgung können nicht selten Unverträglichkeiten beobachtet werden, wenn die ersten Weideflächen zu eiweißreiches Futter bieten. Wer Orchideenwiesen bewirtschaftet, macht zu dieser Zeit einen ersten Weidegang. Natürlich müssen für den April und Mai ausreichend Flächen zur Verfügung stehen, die nicht in Förderprogrammen mit Beweidungsverbot bis Juni (zum Beispiel. FUL oder PAULA) eingebunden sind. Ab Juni/Juli können dann auch Förderprogrammflächen beweidet werden. Bei uns sind das Streuobstwiesen und Weideflächen an verschiedenen Bächen. Wir haben vor Jahren die Bachpatenschaft an den regional bedeutsamen Driescheiderbach und Ölferbach übernommen. Unser hauptsächliches Augenmerk liegt in der Zwischenzeit auf letzterem. Das Ölferbachtal und seine Bachauen zwischen Kettenhausen und Niederölfen gelten als der wertvollste und artenreichste Lebensraum in der Umgebung von Altenkirchen. Als Vernetzungskorridor zwischen Sieg und Wied kommt dem Bach auch eine überregionale Bedeutung zu.
Neben einer reichen Flora mit seltenen Pflanzenarten wie Öhrchenhabichtskraut, Rundblättriger Glockenblume oder Thymian, die vor allem in Säumen (auch zwischen Doppelzäunen) anzutreffen sind, findet sich auch eine bemerkenswerte Fauna, darunter Sumpfgrashüpfer, Kaisermantel, Sumpfschrecke (Stethophyma grossum) und der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea nausithous). Die früher anzutreffenden Braunkehlchen und Wiesenpieper sind weitgehend verschwunden, dafür brüten mehrere Neuntöterpaare und die Dorngrasmücke im Bereich.
Um diese Artenvielfalt zu erhalten ist eine kombinierte Nutzung der Bachauen als Mähwiesen und Weidegrünland vorgesehen. Für den Ameisenbläuling ist das Gebiet so zu pflegen, dass sie der komplexen Biologie dieses Falters entgegenkommt. Inzwischen sind viele Flächen gesichert und durch unsere Gruppe bewirtschaftbar. Die Pflege mit Großgerät leistet unser Mitglied Michael Klöcker ehrenamtlich. Ein Teil der Aue wird mit der Schafherde beweidet. Einige Flächen sind bereits mit einem Festzaun versehen. In einem weiteren Abschnitt werden dieses Frühjahr weitere tausend Meter Knotengitterzaun gebaut.
Längere Abschnitte werden dabei unterteilt, wertvolle Säume zwischen Einzelflächen wiederum mit Doppelzäunen geschützt. Dabei ist darauf zu achten, dass weiterhin eine Beweidung zwischen den Doppelzäunen möglich ist. Dazu muss das Knotengitter umgedreht (auf dem Kopf) montiert werden, damit die großen Fächer bodennah zu liegen kommen. Dies erhöht auch die Durchgängigkeit für Kleintiere. Zusammen mit einer geringen Zaunhöhe von 90 Zentimetern ermöglichen wir somit praktisch allen Wildtieren den Zugang auf die ausgezäunten Flächen. Für Wildschweine müssen mindestens einzelne Flächen als Passagen zaunfrei bleiben. Das meiste Gebiet am Ölferbach ist ungebunden und ohne Auflagen frei bewirtschaftbar. Dies hat den Vorteil, die Pflege zielgerichtet und sehr flexibel gestalten zu können.
Im Spätsommer und Herbst stehen unsere Schafe auch auf besseren Weiden mit zumindest theoretisch eiweißreicherem Futter. Dieser relative Mangel an Eiweiß begleitet unsere Biotopschafe durch ihr ganzes Leben. Selbst das Winterheu ist von minderer Qualität, da unsere Flächen immer sehr spät im Jahr gemäht werden. Solche Ernährungsmankos halten in der Regel nur genügsame, alte Schafrassen aus, ohne dass es zu Erkrankungen und Mangelerscheinungen kommt. In unserer Herde sind verschiedene alte Rassen vertreten: Rhönschaf, Graue Gehörnte Heidschnucke, Bentheimer Landschaf, Coburger Fuchsschaf aber auch deren gemischte Abkömmlinge. Die Herbstbeweidung dauert oft bis weit in den Dezember und wird erst durch längere Frostperioden oder Schneefall beendet.
Die etwa vier Monate andauernde Winterhaltung stellt ihre speziellen Ansprüche an den Halter. Neben einfachen Unterständen muss eine durchgehende Versorgung mit Rauhfutter gewährleistet sein. Bei geringerer Heuqualität kann man mit einem bis zwei Rundballen pro Tier und Winter rechnen – da kommt bei 20 bis 30 Tieren schon etwas zusammen! Für die Ballen werden Heuraufen benötigt, diese gibt es als gedeckte Heuraufen oder als preisgünstigere Variante als ungedeckte Rundballenraufen. Im Winter wird den Tieren zusätzlich ein Ergänzungsfutter aus Getreide und Zuckerschnitzel zur Verfügung gestellt. Dies ist vor allem für trächtige und laktierende Schafe unabdingbar. Mineralfutter erhalten die Tiere ganzjährig.
Der Pflege- und Kostenaufwand für eine biotoppflegeorientierte Schafhaltung ist erheblich und sollte vor der Gründung einer Herde gut bedacht werden. Neben den vielfältigen Arbeiten, die durch die Tiere anfallen (tägliche Kontrollgänge, Fußpflege, Impfungen, Entwurmung, Fütterung, Schur) wird auch eine gewisse Infrastruktur benötigt (PKW mit Pferdehänger, Trecker mit Zubehör, Ballenraufen, Unterstände, Heulagermöglichkeiten). Daneben fallen zunehmend bürokratiebedingte Aufwendungen an (Herdbuchführung, Medikamentenzettelverwaltung, Markierungsarbeiten).
Der durchschnittliche Zeitaufwand für eine etwa 20-köpfige Biotoppflege-Schafherde beläuft sich locker auf zwei Stunden pro Tag und dies 365 Tage im Jahr! Dass dies durch eine Einzelperson nicht geleistet werden kann, versteht sich von selbst. Mindestens zwei Betreuer sollten verfügbar sein, die für Umtrieb- und Einfangaktionen auf weitere zwei Personen zurückgreifen können.
Aber den Mühen und Sorgen, die eine Schafherde bereiten, stehen optimal gepflegte Biotope, die Arbeit mit den Tieren und nicht zuletzt viele schöne Lammbraten in bester Fleischqualität gegenüber!
Nicht für jeden geeignet – aber für aktive NABU-Gruppen mit einem Händchen für Tierhaltung eine schöne Alternative zu Freischneider und Balkenmäher.
Harry Sigg, stellvertretender Vorsitzender NABU Altenkirchen