Urige Reptilien sollen in Neuburg am Rhein wieder heimisch werden
NABU startet Wiederansiedlung der Europäischen Sumpfschildkröte im Rahmen des Projektes „Lebensader Oberrhein“
04.07.2017 – Mainz/Neuburg am Rhein – Im Rahmen des Projektes „Lebensader Oberrhein - Naturvielfalt von nass bis trocken“ hat der NABU am heutigen Dienstag gemeinsam mit dem Landkreis Germersheim und dem SEA LIFE Speyer 30 Exemplare der Europäischen Sumpfschildkröte in einen Altrheinarm bei Neuburg am Rhein entlassen. Ziel ist es, dauerhaft eine lebensfähige Population der Art zu etablieren.
Vor fast zehn Jahren startete der NABU sein Wiederansiedlungsprojekt der Europäischen Sumpfschildköre in Rheinland-Pfalz. Nachdem sich die Tiere in der ersten Projektfläche bei Bobenheim-Roxheim sehr gut entwickelten und sogar schon die ersten Tiere bei der Eiablage beobachtet werden, machte sich der NABU auf die Suche nach neuen Projektflächen, die eine Wiederansiedlung der Art zulassen. Im Rahmen des BPBV-Projektes „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“ wurde eine Potenzialstudie beauftragt, in der systematisch geeignete Flächen bewertet wurden. Ganz vorne mit dabei waren die Altrheinarmei bei Neuburg am Rhein im Landkreis Germersheim. Schnell entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit mit den Verwantwortlichen des Landkreises Germersheim. Denn der Landkreis engagiert sich seinerseits im Rahmen des Interreg Projektes „Sumpfschildkröte ohne Grenze“ seit 2009 um die Wiederansiedlung der Art im grenzüberschreitenden Projektgebiet. Während auf französischer Seite bereits Tiere ausgewildert wurden, lag der Schwerpunkt auf deutscher Seite bisher auf Habitat-Optimierungen und Öffentlichkeitsarbeit rund um die Sumpfschildkröte. Nun konnte der NABU auch auf deutscher Seite Tiere auswildern.
„Wir freuen uns besonders, dass wir durch die enge Zusammenarbeit mit der Universität Landau nun auch die Möglichkeit haben, regelmäßig Forschungsarbeiten rund um das Projekt durchzuführen. Über lange Zeiträume können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universiät das Projekt so evaluieren,“ freut sich Cosima Lindemann, Naturschutzreferentin des NABU Rheinland-Pfalz. Gemeinsam mit dem SEA LIFE Speyer, die die Sumpfschildkröten bis zu ihrer Freilassung professionell aufziehen, existiert so eine starke Allianz, die am Erfolg des Projektes arbeitet.
„Das Ziel des NABU ist es, die biologische Vielfalt zu erhalten und dort, wo sie verloren gegangen ist, wiederherzustellen. Nachdem wir die Sumpfschildkröte in Bobenheim-Roxheim erfolgreich etabliert haben, wollen wir sie nun auch in Neuburg wieder heimisch machen und eine langfristig überlebensfähige Population mit genetischer Eignung aufbauen“, betonte Siegfried Schuch, NABU-Landesvorsitzender, gegenüber den zahlreich erschienenen Gästen.
„Dass die Sumpfschildkröte heute wieder im Rhein angesiedelt werden kann, ist auch ein Verdienst einer Reihe von Gewässerqualitätsmaßnahmen: Von der Gewässerrheinhaltung, über den Hochwasserschutz bis hin zur Renaturierung von Auen durch die Aktion Blau Plus. All diese Projekte haben die Wasserqualität des Rheins deutlich verbessert“, sagte Umweltstaatssekretär Thomas Griese. Die Sumpfschildkröte spiegele nun die Entwicklung der Biodiversität am Rhein wider; sie gehöre zu den ausgestorbenen Arten, die die Landesregierung seit Jahren förderte und wieder heimisch machen wollte.
Und auch Dr. Fritz Brechtel, Landrat des Landkreises Germersheim, freute sich über den gelungen Startschuss der Sumpfschildkröten-Wiederansiedlung: „Diese Wiederansiedlung knüpft hervorragend an unser deutsch-französisches Interreg-Projekt an. Sie bestätigt unsere Bemühungen und stellt eine konsequente Fortentwicklung dar. Wir haben mit unserem Projekt den Grundstein für die grenzüberschreitende und auenangebundene Wiederansiedlung der Europäischen Sumpfschildkröte in Rheinland-Pfalz/Elsass/Oberrhein gelegt und freuen uns, dass das Projekt durch den NABU Rheinland-Pfalz gemeinsam mit starken Partnern qualifiziert weitergeführt wird.“
Die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) ist die einzige in Deutschland wild vorkommende Schildkrötenart. Sie lebt in stillen oder langsam fließenden Gewässern, im Uferbereich großer Seen und Feuchtgebieten. Früher galt sie als charakteristische Art der Auengebiete am Oberrhein. Während ältere Literatur von einem Aussterben im 17./18. Jahrhundert ausgeht, weisen neuere Befunde darauf hin, dass sie mindestens bis ins letzte Jahrhundert bei uns vorkam. Aussterbeursache am Oberrhein dürfte in erster Linie der massenhafte Fang der Sumpfschildkröte im Mittelalter gewesen sein. Besonders der Markt in Speyer war als Umschlagplatz für den Verkauf der Art weit über die Region hinaus bekannt. Zu dem Fang kam die Zerstörung der Lebensräume durch Flussbegradigung, Grundwasserabsenkung, Vernichtung von Gewässern und Zerstörung der Eiablageplätze im Zuge der landwirtschaftlichen Intensivierung. Im NABU-Wiederansiedlungsprojekt werden ausschließlich Tiere ausgewildert, die den ehemals bei uns heimischen Europäischen Sumpfschildkröten genetisch möglichst nahe stehen. Denn diese Tiere sind an die vorherrschenden Lebensbedingungen wie die klimatischen Verhältnisse am besten angepasst.
Hintergrund: Projekt „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“
Das Projekt „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“ wurde im Oktober 2013 gestartet und läuft bis September 2019. Drei Bundesländer (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen) haben Anteil am Projektgebiet im Biodiversitäts-„Hotspot“ am nördlichen Oberrhein. Zur Umsetzung der Naturschutzmaßnahmen haben sich die NABU-Landesverbände Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zusammengeschlossen. Das Projektvolumen beträgt insgesamt rund fünf Millionen Euro. Das Projekt wird durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gefördert. Die Ausgaben werden zu 75 Prozent vom BMUB über das „Bundesprogramm Biologische Vielfalt“ und zu 15 Prozent von den Umweltministerien in Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg getragen. Zehn Prozent der Mittel übernimmt der NABU selbst.